Bundesregierung riskiert Massenüberwachung privater und verschlüsselter Kommunikation
Auf Antrag der Linksfraktion ist es im Digitalausschuss des Bundestags vom 10. September zu einer Debatte um die geplante CSAM-Verordnung gekommen, die von Kritiker*innen auch als Chatkontrolle bezeichnet wird. Dazu erklärt Donata Vogtschmidt, Obfrau im Digitalausschuss für die Linksfraktion und Sprecherin für Digitalpolitik und Cybersecurity:
„Die Pläne zur Einführung massenhafter Überwachung und Durchleuchtung der Privatsphäre bis hin zu besonders geschützter verschlüsselter Kommunikation auf Messengern wie Signal oder WhatsApp nehmen wieder Fahrt auf. Denn die dänische EU-Ratspräsidentschaft strebt Mitte Oktober eine Einigung der Mitgliedsstaaten an, um den Entwurf der CSAM-Verordnung in den Trilog zu bringen. Die Position der Bundesregierung spielt hierbei eine entscheidende Rolle, da das Halten einer Sperrminorität gegen Chatkontrolle unmittelbar von Deutschland abhängt. Die Ampel-Regierung hatte sich immerhin darauf verständigt, das Auslesen verschlüsselter Kommunikationsinhalte etwa durch „Client-Side-Scanning“ abzulehnen. Doch Schwarz-Rot positioniert sich nicht, und setzt nicht einmal den Minimalkompromiss fort, den die Ampel-Regierung bisher vertreten hatte.
Im Digitalausschuss am Mittwoch den 10. September wurde mir auch klar, warum das so ist: Das Innenministerium ließ sehr deutlich werden, dass es das Analysieren auch Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikationsinhalte anstrebt. Klar wurde jedoch auch, dass das Justizministerium hier sehr enge rechtliche Grenzen sieht und sich offensichtlich noch nicht mit dem Innenministerium einig ist. Auch die Bewertung des CSAM-Entwurfs der dänischen Ratspräsidentschaft ist noch vieldeutig: Das BMI schwankte zwischen sehr wohlwollenden Worten und nach Intervention des BMJV auch Ergänzungen, dass der Entwurf noch schwierige Stellen habe.
Für dieses Gewurschtel habe ich Null Verständnis. Seit Jahren kommen Wissenschaftler*innen, zivilgesellschaftliche Organisationen, die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags, aber auch Kinderschutzorganisationen wie der Kinderschutzbund, Wirtschaftsverbände wie der Bitkom und sogar Vertreter von Sicherheitsbehörden wie Markus Hartmann von der Stabsstelle Cybercrime NRW zu der Einschätzung, dass die geplante CSAM-Verordnung am Ziel des Kinderschutzes vorbeigeht und zahlreiche Gefahren birgt. Zuletzt haben am 8. September über 400 Wissenschaftler*innen in einem offenen Brief an die EU-Kommission eindringlich vor der CSAM-Verordnung gewarnt.
Wir stehen aktuell vor der unmittelbaren Gefahr, dass das Lavieren der Bundesregierung zu einem europäischen Dammbruch führt und das größte Überwachungspaket wahr wird, das die EU je gesehen hat. Das elektronische Briefgeheimnis wäre Geschichte, und Kindern wäre trotzdem nicht geholfen. Schon nach dem 14. Oktober könnte es zu spät sein. Als Obfrau im Digitalausschuss für die Linksfraktion habe ich immerhin dazu beitragen können, das Thema auf die Tagesordnung des Digitalausschusses zu bekommen. Jetzt denke ich, wird die Chatkontrolle auch noch mal ins Plenum des Bundestags müssen, um diese ungeheuerliche Gefahr einer breiteren Öffentlichkeit bewusst zu machen. Dafür werde ich mich in den nächsten Tagen einsetzen!“
